The United Kingdom



Seit gestern sind wir auf der Insel. Die erste Nacht verbrachten wir in Maidstone, vom Flughafen Gatwick eine knappe Stunde entfernt in Richtung Süden. Dank Navi schafften wir die Fahrt mit unserm froschgrünen Mietauto trotz Dunkelheit und Linksfahren gut. Unser Hotel hatte sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen, lag aber ruhig in einer grosszügigen Parkanlage, was zur Folge hatte, dass auch schon mal ein Pfau vor dem Eingang seine Balzrufe zum besten gab. Nach einem üppigen Frühstück, bei dem man sogar weisse Bohnen in Tomatensauce neben den andern Köstlichkeiten geniessen konnte- für Unwissende: "wissi Böhnli und Würstli" waren mein Lieblingsessen, als ich Kind war- ging es, noch bei trockenem Wetter, zum "Leeds Castle" in der Grafschaft Kent. Die Burg wird als schönste Burg der Welt bezeichnet. Bereits im 9.Jhd. soll ein Herrenhaus an der Stelle gestanden sein. Über die Jahrhunderte wurde das Gebäude mehrere Male umgebaut, vergrössert, abgerissene wieder aufgebaut. Die heutige Einrichtung stammt von der Amerikanerin Lady Baillie, die das Anliegen 1926 kaufte und instand setzte. Sie ordnete an, dass das Schloss nach ihrem Tode der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde. Ein Glück, da es abgesehen von der unvergleichlich schönen Lage - das Schloss ist auf zwei Inseln erbaut, die durch ein Brücke miteinander verbunden sind - Einblick gibt, in das Leben einer Adeligen in der ersten Hälfte des 20. Jhd., aber auch einen geschichtlichen Rückblick bis ins 13. Jhd. ermöglicht. Heinrich XVIII soll hier seine erste Frau, Katharina von Aragonien untergebracht haben. Manche Frau würde sich glücklich schätzen, ein Scheidungsgeschenk in diesem Ausmasse zu erhalten.
Das Wetter wurde im Laufe des Tages immer englischer. Familien mit kleinen Kindern steigerten den Umsatz im Castle-Shop durch Hamstereinkäufe von Regenpelerinen. Wir hatten unsere Regenschirme und nutzten sie, um durch die wunderschöne Parkanlage zu spazieren. Unzählige verschiedene Vogelarten sind hier zuhause. Einen schwarzen kleinen Vogel mit rotem Schnabel beobachtete ich, wie er auf der einen Seite des Weges Nahrung suchte. Diese verschlang er nicht selber, sondern hüpfte damit über den Weg zu einem kleinen Bächlein und verschwand im Dickicht. Beim genauen Hinschauen entdeckte ich auf einem querliegenden Ast knapp oberhalb des Wassers einen zweiten Vogel. Er schien zu brüten, sass ruhig in seinem Nest und wartete, bis der erste Vogel ihm die Leckereien in den Schnabel steckte. Dann überquerte dieser wieder den Weg, holte neues Futter, brachte es seiner Gemahlin und das wiederholte er wahrscheinlich noch viele Male. Ich war gerührt von soviel Fürsorge und hätte diesem Schauspiel noch lange zuschauen können. Hier war die Welt in Ordnung. Alles hatte seinen Lauf und Sinn. Man musste nichts besprechen oder diskutieren, geschweige denn miteinander streiten. Das Vogelpaar wusste, was es zu tun hatte und tat es einfach.
Der Regen wurde dann plötzlich wieder stärker, so dass es unter dem Schirm ziemlich ungemütlich wurde. Wir verliessen das Schloss und fuhren Richtung Canterbury, wo wir nach einem Zwischenstopp  in einem Outlet- Zentrum im Studentenwohnheim unsere jetzige Unterkunft fanden. Dietmar fand beim Shoppen noch eine neue Regenjacke, ich suchte vergebens nach einem Trenchcoat. Da gab es nur Funktionskleidung- die ist nicht so mein Stil. 
Heute stand dann die Wiege des englischen Christentums auf dem Programm. Es muss über zwanzig Jahre her sein, seid ich mit Rosmarie einmal hier war. Wir besuchten ihre Verwandten in der Nähe von London und sind wohl mit Bus oder Zug auch nach Canterbury gekommen. Meine Erinnerungen sind aber total verblasst, was mir etwas Sorgen bereitet. Ich frage mich wirklich, wieso ich sowenig Erinnerungen an vergangene Reisen habe, ob ich überhaupt richtig anwesend war an den Orten, die ich besuchte, oder immer nur so halb und sonst von meinen Ansprüchen und Anpassungsproblemen so in Beschlag genommen war, dass keine Energie für die Aufnahme von Neues übrig blieb. Jedenfalls ist diese Kathedrale eine Wucht! Und dann noch die geschichtlichen Ereignisse, die damit in Verbindung stehen! Der Erzbischof Thomas Becket wurde hier im Jahre 1170 von königlichen Gesandten ermordet. Er soll dem König, Heirich II mächtig auf die Nerven gegangen sein mit seiner Haltung, die nicht den Machtansprüchen des Königs entsprach, sondern die Eigenständigkeit der römisch - katholischen Kirche verteidigte. Als Strafe für dieses Attentat fiel Heinrich II unter den Kirchenbann des Papstes und musste einen Bussgang antreten. Angeblich soll er sogar in der Kathedrale öffentlich gegeisselt worden sein. Das kann ich mir nicht so gut vorstellen...
Der echte Höhepunkt unseres bisherigen Aufenthaltes in Canterbury war aber der Besuch im Marlow- Theater mit "Dirty Dancing". Wow, war das eine Super- Aufführung mit fantastischen Darstellern, allen voran die beiden Hauptdarsteller Lewis Kirk und Jessie Hart. Auch die Story, die 1963 in Amerika spielt ist berührend. Es ist die Liebesgeschichte zwischen dem genialen Tänzer Jonny, der in einem Resort seinen Sommerjob macht und der 17-jährigen Baby, einem Mädchen aus gutem Hause, das dort mit seiner Familie den Urlaub verbringt und sich in den gutaussenden Mann verliebt. Sie schafft es, dank ihrer Unbeschwertheit, ihrem Sinn für Gerechtigkeit und ihrem Glauben an eine bessere Zukunft, ihn aus seiner Routine und seinem Pessimismus heraus zu reissen.
Soviel für den Moment. Die weissen Böhnchen warten und die Fotos folgen.


   Froschgrünen mit Froschauto


   Maidstone Mercure Hotel






   Thomas Becket




















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