Milano by Night ...

Es ist viel passiert, seit ich mich das letzte Mal gemeldet habe. 
Der Shoppingmorgen verlief erfolgreich. Bevor wir uns jedoch ins "Soldi- Gewühl" in der Vittorio Emanuele II stürzten, kletterten wir über dreihundert Stufen hinauf auf das Dach des Duomo, wo man sich plötzlich inmitten pittoresker Marmortürme und Stuckaturen befand. Von hier aus genossen wir eine fantastische Aussicht auf die Stadt. Dank meinem kubanischen Sonnenhut, der mittlerweile aus dem letzten Loch pfeift, überlebte ich die Besichtigung der kirchlichen Dachterrasse trotz gleissender Sonne unbeschadet (eigene Wahrnehmung).Nachdem wir uns auch in das großartige Innere des Domes gewagt hatten, was nicht ganz problemlos war - bei der Sicherheitskontrolle kam mein Schweizer Taschenmesser zum Vorschein und  Annina's  freie Schultern mussten mit einem Reserve T-Shirt von Dietmar verhüllt werden - trafen wir im ersten Geschäft, "Intimissimi" genannt - ein. Hier verabschiedete sich Dietmar, was seltsam anmutete angesichts der Fülle von Reizwäsche, die sich vor uns ausbreitete. Nun möchte ich mich aber nicht zu sehr mit der Beschreibung der Details unseres Shoppingnachmittags beschäftigen. Nur soviel sei gesagt:  Annina und Olivia berieten mich rührend und gaben mir allerlei Tipps, um mich upzudaten. Mir wurde bewusst, dass ich wirklich aufpassen muss, nicht  ins "Vecchia Zitella Lager" abzugleiten. 
Dann folgte der zweite Abend. Nach dem langen Fußmarsch durch die  Shoppingmeile entschieden wir uns für die Trattoria "Pomodoro" in der Nähe unseres Hotels. Das Essen war lecker, die Stimmung heiter, auch die Mücken fühlten sich wieder ausgenommen gut in unserer Gesellschaft. Vor allem Annina war im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen, was geschwollene Beine und Schmerzen zur Folge hatte. Die Ärmste litt beträchtlich und wir machten uns immer mehr Sorgen um sie. Der Concierge unseres Hotels, ein älterer Herr mit eingefrorenem Lächeln auf dem Gesicht, bemühte sich um medizinische Hilfe bei Ambolatorio, hatte aber kein Glück. Die Telefonleitung war und blieb besetzt, so dass wir uns schliesslich entschlossen, zum nächstgelegenen Krankenhaus zu fahren. Es war etwa 22.30, Dietmar zog sich ins Hotelzimmer zurück, wir schoben uns in ein Taxi und begaben uns auf die erste Fahrt by Night quer durch Mailand. Es sollte nicht die Einzige bleiben.
Heil am Ziel angekommen wurden wir von einem leibhaftigen Drachen empfangen, der uns verächtlich anschaute und uns Feuer speiend einen Zettel mit einer Adresse in die Hand drückte. Wir sollen uns am darauffolgenden Nachmittag zwischen 13.30 und 14.30 dort einfinden und jetzt gefälligst schnell wieder verschwinden, da wir ja schließlich nicht vom Tode bedroht seinen. Damit ließ ich mich aber nicht abspeisen. Anninas Fußgelenke hatten inzwischen bedrohliche Ausmaße angenommen. Zum Glück trug sie zu dem Zeitpunkt kein Fusskettchen. Ich brachte den Drachen, welcher in seinem Glashaus thronte und anscheinend nicht nur uns, sondern auch die männlichen Wärter an seiner Seite malträtierte schließlich doch so weit, Anninas Personalien aufzunehmen. Auf einem Stuhl im Korridor des Krankenhauses - ich  nehme an es war eines, denn ab und zu wurden von einem schlurfenden Menschen Scheintote auf klapprigen  Wagen vorbei gerollt- sollten wir warten. Mindestens drei Stunden würde es dauern, wir seien ja schließlich kein Notfall, es gäbe andere, denen ginge es viel schlechter, wenn es uns nicht passte, sollen wir wieder gehen, so ein Theater zu machen wegen einem Mückenstick (es waren mindestens dreißig, aber das interessierte den Drachen nicht). Dann widmete der  Drachen seine Aufmerksamkeit seinem Telefon und würdigte mich keines weiteren Blickes. Mir platzte der Kragen. "Voglio un dottore, ma subito!" schrie ich. Es hieße "vorrei", schrie sie zurück. Dass ich in dem Moment nicht mit meinen Fäusten durch ihr bescheuertes Glasloch griff und sie würgte, oder zumindest auf die Tastatur ihres Computers einschlug, grenzte an ein Wunder. Ich erntete nicht nur erstaunte Blicke ihrer männlichen Wärter, sondern auch verständnisvolle. Eine ebenfalls wartende sehr nette Frau half mir, ein weiteres Taxi zu bestellen. Wieder im Hotel angekommen, versuchte es der Herr mit dem eingefrorenen Lächeln erneut beim Ambolatorio, diesmal mit Erfolg. Allerdings wollte der beratende Arzt nicht ins Hotel kommen. Wir sollen ein Taxi nehmen und uns gefälligst beeilen, er schließe um Mitternacht. Es war inzwischen 23.45.Das dritte Taxi raste. Angekommen rannten wir die Treppe hinauf, Annina ließ ihren Eisbeutel auf die Steinfliessen fallen, ein gebrechlicher alter Mann, mit einem Pflaster auf der Wange, welches nur noch an einer Seite festgeklebt war und erbärmlich umher baumelte, putzte die Wasserlache geduldig auf. Im Behandlungszimmer erwartete uns ein Junkie ohne Zähne dafür mit Beatels T-Shirt. Er wollte Annina eine Cortisonspritze verabreichen, wogegen sich Olivia vehement wehrte.
Mit einem Rezept in der Hand und der Versicherung, dass die säulenähnlichen Beine Anninas auf eine allergische Reaktion hinweisen würden, die aber nicht gefährlich sei, fuhren wir mit dem vierten Taxi in die Apotheke und mit dem fünften ins Hotel zurück, wo Annina eine Tablette schluckte.
Für alle, welche sich jetzt immer noch um Annina Sorgen machen: Es geht ihr viel besser. Aus Sympathie für ihre Schwester hat auch Olivia ihre Fußgelenke noch anschwellen lassen. Wir sind aber mit Tabletten und Cremes  gut versorgt und werden wohl nie mehr im Leben Hilfe beim italienischen Gesundheitswesen suchen. Dietmar und ich blieben übrigens von Schwellungen weitgehend verschont...
Soviel zum Thema "Milano by Night".
A presto, Pia

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