Die Bierheirat - eine Kurzgeschichte

Fred und Anna kannten sich jetzt schon eine geraume Zeit. Beide geschieden, waren sie ziemlich heiratsscheu geworden. Nicht nur Fred - bei Männern trat ja die Bindungsangst erst recht nach gescheiterter Ehe häufiger auf - nein auch Anna fand, wieso ein zweites Mal heiraten, wenn es schon das erste Mal, als man doch vollkommen überzeugt war das Richtige zu tun, nicht geklappt hatte. Das wäre doch eine Schnapsidee. Auch so ließ es sich sehr gut zusammen leben und Urlaub machen. Diesmal hatte es die Beiden in den Nordschwarzwald verschlagen. Die vier Tage waren voll gepackt mit allerlei Aktionen, ganz nach Freds Geschmack. Auch der Besuch in der Alpirsbacher Mönchsbrauerei war Freds Idee gewesen. Der ältere Guide, ein Schwabe norddeutschen Ursprungs mit Name Bruno Fischer führte mit Charme und schauspielerischem Talent durch die alten Gewölbe der ehemaligen Bierbrauerei des Kosters Alpirsbach. Er erzählte allerlei nette Anekdoten, so zum Beispiel vom Kutscher Emil, welcher das Bier mit einem Rosswagen zu den Kunden fuhr und dort als Dankeschön jeweils zu einem Fläschchen eingeladen wurde, was bei 10 bis 15 Kunden pro Tag zu einer beträchtlichen Anzahl von Fläschchen führte. Wenn er dann abends in die Brauerei zurückkehrte wurde sein Alkoholpegel stets daran gemessen, ob er das Schild "Stop Emil" noch wahrnahm, oder einfach daran vorbei holperte, was Schlimmeres zu Folge haben konnte.  Oder die Geschichte vom Freibier der Arbeiter, welches sehr großzügig bemessen war und zu einem durchaus entspannten Arbeitsklima führte. Auch Fred und Anna fühlten sich wohl in der Reisegruppe, waren allerdings schon etwas müde auf den Beinen und nahmen die Sitzgelegeheit, welche man ihnen neben einem riesigen Kupferkessel, in welchem man das Bier aufbewahrte bevor es weiter in die Abfüllstation geleitet wurde, dankend an. Dort sitzend erfuhren sie dann auch, dass dieser Raum als Trauraum sehr begehrt war. Bei dieser Mitteilung ließ es der begabte Laienschauspieler Bruno Fischer aber nicht bewenden. Er startete das Exempel, in dem er Anna und Fred in feierlicher Weise aufforderte, sich zu erheben. Seine darauf folgende Rede stand der eines heiratsgeübten Pfarrers in keiner Weise nach. Er forderte zuerst Anna eindringlich auf, ihrem Liebsten lebenslange Treue zu schwören und seine Aufforderung nach bedingundloser Gefolgschaft mit einem "Ja" zu bestätigen. Anna, gerührt von soviel Publikum und Eindringlichkeit des Herrn Fischer sprach ihr "Ja Wort" laut und deutlich aus. Bei Fred dauerte es etwas länger, nachdem er seine Bereitschaft zum Betten machen, Fenster putzen, Staubsaugen und ewiger Treue (!) wohl eher in Frage stellte, stieß er endlich unter dem riesigen Erwartungsdruck des zahlreichen Publikums doch noch ein klägliches "J-ah.." aus. Der Applaus folgte ohne Umschweife und die Glückwünsche für die bevorstehende Hochzeitsnacht blieben nicht aus. Die Zeremonie wurde mit zwei Gläsern Bier nach eigener Wahl begossen und Anna war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob das jetzt alles Theater war oder nicht... Sie beruhigte sich dann aber wieder, als sie feststellte, dass ihr Fred keinerlei Anstalten machte, nach Beendigung der Führung nach dem noch fehlenden Ehering Ausschau zu halten. Also war alles doch nichts weiter als die Schnapsidee des ideenreichen Reiseleiters gewesen.
Gewiefte Leser dürfen sich jetzt darüber Gedanken machen, wieviel die kleine Geschichte wohl mit der Realität gemein hat.


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