Povera Engardina!

    So hieß die blauhaarige Nymphe, welche einem jungen Wassergott so den Kopf verdrehte, dass er ihr einen großen See erschuf. In diesen warf er sich unverzüglich mit seiner Geliebten, worauf der See die herrlich blaue Farbe ihres Haares annahm. Bis heute hat der Lago di Garda seine Farbe und seine Anziehungskraft nicht verloren, was meiner Meinung nach eher einen Nachteil für diese zauberhafte Landschaft darstellt. Sie ist vom Tourismus derart überlaufen, wie ein Gefäß, welches man zum Aufschäumen der Milch für den Cappuccino braucht und das mit der Menge des Schaumes nicht fertig wird, diesen überlaufen lässt, womöglich auf die heiße Herdplatte. In der Folge stinkt es!
Als wir gestern kurz nach Mittag in Garda eintrafen, waren wir nicht wesentlich überrascht, als man uns an der Rezeption des Hotels Palme verkündigte, dass wir nicht  hier, sondern im Hotel Royal untergebracht wären. Ja, das muss ja nach der ersten Umbuchungserfahrung nicht unbedingt ein Nachteil sein. Weit gefehlt. Die Klitsche, in der wir jetzt wohnen, hat ihren Namen nicht verdient! Ein riesiger Kasten - ungepflegt, da stehen zum Beispiel ausrangierte Matratzen im Flur umher - der Lift ist gelinde gesagt vorsintflutlich, beim einchecken genießt man den Blick auf Reihen von Mülltonnen. Das Zimmer geht ja noch so einigermaßen. Allerdings kann man die Klimaanlage nicht eigenmächtig ausschalten, was mir immer ein grosses Bedürfnis ist. Meinen Liebsten freut es, er liebt Klimaanlagen. Ich habe aber sofort herausgefunden, dass man nur die  Balkontüre öffnen muss - was einem einen zauberhaften Blick in den Hinterhof mit allem was dazu gehört ermöglicht - und das ratternde Kühlgebläse gibt seinen Geist auf.
Den Höhepunkt der Gemütlichkeit aber bildet der Speiseraum. Aus mehreren Gründen hat auch der seinen Namen nicht verdient. Erstens handelt es sich nicht um einen Raum, sondern um eine Halle, in der man mit wildfremden Menschen an kleine Vierertischlein gepfercht wird. Zweitens werden hier keine Speisen angeboten, sondern ein undefinierbarer Fraß, den man bestenfalls als Speisemehl für Vieh verarbeiten könnte. Wahrscheinlich tun die Verantwortlichen nicht einmal das, sondern werfen die verständlicherweise großen Mengen Speisereste in den Müll. Man müsste das mal genauer prüfen. Allerdings finde ich es doch auch wieder erstaunlich, wie die Leute sich um das Buffet drängen und kann mir diesen Umstand nur damit erklären, dass sie schließlich ihre Halbpension bezahlt haben. Bedauerlicherweise trifft das auch auf uns zu. Gerade im Moment fordert mich mein Liebster auf, mich fürs Abendessen fertig zu machen. 
Zwei Stunden später. Ich hab's überlebt und gebe sogar zu: Heute war es gar nicht so schlimm. 
Die jungen Kellner sind nett. Allesamt kommen sie wahrscheinlich aus Rumänien und schuften hier zu Mindestlöhnen. Sie scheinen sich aber untereinander gut zu verstehen, machen ab und zu 
ein Scherzlein und wischen auch mal ein verirrtes Salatblatt oder ein paar Brotkrümel mit der flachen Hand auf den Boden. Die Theke wird gleich nach dem die Vorspeisen - welche übrigens  lecker sind (gebratene Zucchini, Auberginen, Fenchel und andere Gemüse) - abgetragen wurden mit einem rosafarbenen Spray großzügig eingesprüht, ungeachtet der Teller, welche hier bereitstehen, und dann mit einem Lappen trockengerieben. Auch sind die jungen Serviceleute schon eifrig damit beschäftigt, die Tische für das Frühstück bereit zu machen, während wir gerade ein Stück Fisch mit einer gallertartigen Sauce vorgesetzt bekamen. Dies wieder ein Minuspunkt (oder zwei) in der Bewertungsskala der Verpflegung. Dass man bei diesen Löhnen versucht, so schnell wie möglich Feierabend zu haben, kann ich sehr gut verstehen und nehme es höchstens dem Chef übel, dem ich gerne noch einige andere fragwürdige Dinge über seinen Betrieb unter die Nase reiben würde.
Aber lassen wir das. Lieber möchte ich noch erwähnen, dass wir eine richtige kleine Tour mit - und als die Velowege doch zu schlecht wurden - halt ohne Stahlross auf einen Hügel oberhalb von Garda gemacht haben.  Vom Monte Luppio aus hat man eine phantastische Sicht auf die Küste bis nach Bardolino. Wieder in der Ebene fuhren wir mit dem Rad nach dem Punto San Viglio, einer Landzunge welche überschwänglich als schönster Ort der Welt bezeichnet wird. Hier nahmen wir auch das erste Bad im See. Kühl ist das Wasser, aber herrlich in seiner Geschmeidigkeit, als trage es immer noch den Zauber der Engardina in sich. 
Buona notte,
Pia

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