Im Schwarzwald

Im Schwarzwald stoht es Hüsli, im Schwarzwald stöhn viel Bäum... Dieses Lied hatte mich meine Omama gelehrt, vor vielen, sehr vielen Jahren. Ich habe es dann dem Santichlaus vorgesungen, alle Strophen. Als Belohnung gab es das Säcklein mit Nüssen und Süssigkeiten, dazu Geschenke. Ich erinnere mich an einen Dökterlikasten mit Krankenschwester-Kostüm, Schürze und Häubchen. Das Foto, das mein Papa in dieser Aufmachung von mir machte, ist mir sehr präsent. Obwohl es nicht elektronisch gespeichert ist. Wie sollte es auch. Es gab kein Internet. Das Haustelefon an der Wand war soeben montiert worden. Den ersten Fernseher kriegte mein Opapa zum Geburtstag geschenkt. Schwarz-weiss. Alles spielte sich im letzten Jahrtausend ab. Die Welt schien mir heil und schön. Ich war ein Kind, behütet und voller Phantasien und Wünsche.

Wenn wir heute im Schwarzwald im Wellnesshotel "KreuzPost" in Vogtsburg-Burkheim logieren, ist die Welt eine andere. Eine herrliche Bade- und Saunalandschaft lädt zum Verweilen und Entspannen ein. Die freundliche Bedienung spricht mit einem slawischen Akzent. Das Zimmer unter dem Dach ist hell und sauber. Das Badezimmer mit unzähligen Badetüchern und Bademäntel  ausgestattet. Der letzte Schnee auf den Dächern dahin geschmolzen. 

Der Santichlaus hat seine Saison hinter sich gebracht, wahrscheinlich weniger erfolgreich als in meiner Kindheit.  Er wird sich irgendwo in seinem Hüsli zwischen den vielen Bäumen zurück gezogen haben und überlegt vielleicht, ob er doch noch eine neue Marktstrategie einschlagen sollte, ob er sich doch ein Handy zutun sollte, oder vielleicht sogar einen Computer. Er würde dann versuchen, eine Homepage einzurichten und.... Aber wie passt das alles zum Bild, das ich mir als Kind vom Santichlaus gemacht hatte, das Bild, das mir meine Omama vermittelt hatte, das Bild vom strengen, aber liebevollen alten Mann, der zeitlos war und mich jedes Jahr in meiner Kinderwelt an die Werte der Verantwortung, Nächstenliebe und Ordnung erinnerte. Er tauchte auf, meistens zusammen mit dem Schmutzli, der die Rute und den Sack trug, manchmal auch allein, wenn der Schmutzli starken Schnupfen hatte... Dann verschwand er wieder und im nächsten Jahr kam er wieder, unverändert mit dem gleichen roten Mantel, langen Bart, der Myrta und dem Bischofsstab. Er war zeitlos, jedes Jahr gleich. Wie sollte man diese Figur updaten, der Zeit anpassen, attraktiv und wirtschaftlich erfolgreich machen? Unmöglich.

Wenn ich irgendwo hier in der traumhaften Landschaft des Schwarzwald, im Münsterthal oder auf dem Kaiserstuhl ein verstecktes kleines Hüsli zwischen hohen schwarzen Tannen entdecke, stelle ich mir vor, wie er darin sitzt, seine Sachen sorgfältig verräumt hat und sich Gedanken darüber macht, ob er es im nächsten Dezember noch einmal wagen sollte. Ohne PC, Handy und Homepage. Er lächelt. Kinder gibt es immer. Ja, und für die lohnt sich der Aufwand ganz bestimmt.

©p-dur
30.1.2017




    Kloster St. Trudbert









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